Programm für den Fachbereichsrat Geschichte 2024

Veröffentlicht von Thomas Stahlhut am

„Geht man vom Wissenschaftsbegriff der UNESCO aus, der Wissenschaft als nützliche menschliche Tätigkeit bestimmt, so haben die Gesellschaftswissenschaften, zu denen auch die Geschichtswissenschaft zählt, die Aufgabe, die Geschichte der Menschheit, der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse zu untersuchen, um den Reichtum menschlicher Schöpfungskraft für die gegenwärtig Lebenden aneignen zu können und diese Ehrfahrung nutzbar zu machen für die Lösung der Probleme der Gegenwart und der Zukunft. […]
Die in den Geistes- und Kulturwissenschaften unseres Landes noch weithin dominierende Auffassung von Wissenschaft als einer wert- und zweckfreien Tätigkeit wird also von der UNESCO nicht geteilt.“

Reinhard Kühnl, „Faschismustheorien. Ein Leitfaden“, 1990.

Als Historiker*innen sind wir heute vor zahlreiche Fragen und Herausforderungen gestellt: Wie kommen wir zu zivilen Konfliktlösungen im Israel-Palestina-Krieg und im Russland-Ukraine-Krieg? Welche Bedeutung hat das Erinnern an die Verbrechen des deutschen Faschismus und den Kolonialismus für die heutige Überwindung von Rassismus, Antisemitismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit? Wie kommen wir zu einem bewussten, nachhaltigen Umgang mit der Natur als menschlicher Lebensgrundlage? Was können wir zu einer Vernunft geleiteten sozialen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung beitragen?
Das von Kühnl schon 1990 an den Geisteswissenschaften kritisierte Neutralitätsgebot ist auch heute noch weit verbreitet und wird mit Zähnen und Klauen verteidigt gegen jede Anspruchsweitung. Wer sich dennoch inhaltlich oder gar politisch positioniert, läuft Gefahr, diskreditiert zu werden und die Finanzierung seiner Forschung oder seinen Job zu verlieren. Eine kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im Studium ist zwar gewünscht- aber bitte nur als „Soft Skills“ für die Ausbildung für den Arbeitsmarkt. Mit Persönlichkeitsentwicklung oder kritischer Verortung im wissenschaftlichen Diskurs hat das nichts zu tun.
Der wesentliche Faktor der Geschichte ist der handelnde Mensch, der bewusst oder unbewusst die vorgefundenen Umstände weiterentwickelt– wir alle machen Geschichte. Demnach haben wir immer die Möglichkeit gemeinsam für allgemeine Wohlentwicklung zu streiten in der der sozialen und kulturellen Entfaltung keine Grenzen gesetzt sind. Wesentliche Friedensursache ist die Mehrung sozialer Errungenschaften zu Ungunsten der Machtkonzentration bei einigen wenigen. Das bedeutet umfassende Abrüstung zugunsten diplomatischer und ziviler Konfliktlösung, die Kooperation und Demokratisierung von Arbeit, Bildung, Gesundheit, Forschung und Politik, als Überwindung von Konkurrenz, Leistungsdruck und Prekarität.
Ein kritisch engagiertes Studium der Geschichtswissenschaft, insbesondere mit dem Schwerpunkt auf Friedens- und Gewaltforschung, sollte ebenfalls dieses Ziel verfolgen. In Einheit mit demokratischem Engagement in der Uni und darüber hinaus, können wir aus der Geschichte Erkenntnisse bilden, die der vermeintlichen Alternativlosigkeit von Aufrüstung, Waffenlieferungen, Sanktions- und Eskalationspolitik der Ampelregierung, den ideologischen Boden zu entziehen. Dafür bedarf es der gemeinsamen Bestimmung des Studiums sowie der Erweiterung der Möglichkeiten zur Gestaltung des Studierens durch Studierende.
In Auseinandersetzung um Studienstrukturen und Wissenschaftsinhalte, in Veranstaltungen, Aktionen und Kritik sowie einer munteren Gremienbeteiligung wirken wir als kritische Fachschaftsaktive in der Hochschule und darüber hinaus für:
– Eine Studienreform, die durch den Abbau von Restriktionen (Anwesenheitspflicht, Pflichtpraktika) und Reduktion von Leistungsvergleichen (Prüfungen, Noten, Latein als Zugangsvoraussetzung) zugunsten egalitärer Lehr- und Lernformen (Projektseminare, studentische Seminare) ermöglicht gemeinsam zu entwickeln, was der gesellschaftliche Gehalt des eigenen wissenschaftlichen Arbeitens ist.
– Eine studentische Kultur, die durch lebendigen Austausch, anregende Gespräche und ein solidarisches Miteinander geprägt ist. Durch Veranstaltungen, Gedenkveranstaltungen (Bücherverbrennung-Nie wieder!, 8.Mai: Tag der Befreiung), die Umbenennung der Hörsääle des Philosophenturms, die Neugestaltung der Ausstellung des Fachbereichs wollen wir uns gemeinsam mit euch in die Lage versetzen, uns in die Auseinandersetzungen in der Universität zu involvieren und für den notwendigen kulturellen Aufbruch zu sorgen.
– Soziale Verbesserungen gemeinsam zu erstreiten durch die Kampagne BAFöG für Alle!, die Ausfinanzierung des Studierendenwerks, die Ausfinanzierung der Universitäten, sowie der Bildungs-, Kultur-, Sozial- und Gesundheitsbereiche insgesamt durch die Kampagne Schluss mit Austerität! (https://schluss-mit-austeritaet.de), die zivile Ausrichtung der Wissenschaften. Anstatt Militarisierung und Aufrüstung braucht es eine zivile Zeitenwende (https://zivilezeitenwende.de).

Dieses Engagement macht Freude, befreit und gelingt am besten, je mehr Studierende sich zusammenschließen und dafür aktiv werden. Deshalb: Wähle die kritischen Fachschaftsaktiven – wähle selbst aktiv zu werden!