Programm 2018/2019

Veröffentlicht von geisteradmin am

GeiWi_Programm_2018

Fakultätsratswahl 2018:
Raus aus der Enge – verändern wir das Leben!

‚Asyltourismus‘ ist so ein Wort, das machtvoll ist und propagandistisch, weil es eine Wahrnehmung von Wirklichkeit erzeugt, die die Voraussetzung für potenziell inhumane politische Entscheidungen ist und mögliche Gesetzesbrüche – es verbindet zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, und verleugnet die Not von Menschen und das tägliche Sterben auf der Flucht, indem es eine All-inclusive-Assoziationskette der Verharmlosung in Gang setzt. Das ist die Wirkung solcher Worte, und die Rechten arbeiten mit dem Mittel der Sprache, weil sie wissen, dass sie so die Grundlagen dessen verschieben, was eine Gesellschaft ausmacht.“
Georg Diez, „Maßnahmen der Unmenschlichkeit“, SpiegelOnline, 24.6.2018.

Die Zeiten sind längst vorbei, wo man das Menschliche in verschiedene Sphären eingeteilt sehen konnte, von denen die eine die politische war: eine Sonder-Sphäre, um die man sich nicht zu kümmern brauchte. Die Frage des Menschen, das Problem der Humanität steht längst schon als unteilbares Ganzes vor unseren Augen und ist als Ganzes dem geistigen Gewissen auferlegt.“
Thomas Mann, Ansprache zu Heinrich Manns siebzigsten Geburtstag, 2. Mai 1941 (auf einer nachgeholten Feier).

Unzweifelhaft gilt: Kultur ist, wodurch der Mensch sich selber schafft. In jeglicher Hinsicht ist gesellschaftliche eine umfassende Rekonstruktion des Humanen erforderlich. Auf der Tagesordnung stehen: die Schaffung von Frieden, die Widerherstellung von sozialstaatlichen Errungenschaften, die internationale Durchsetzung menschlicher Würde und die Verallgemeinerung kultureller Emanzipation. Dafür nötig ist u.a. der Ausbau von solidarischen Jugendzentren, gutem Musikunterricht (jedem Kind ein Musikinstrument!), geistreichem Theater, lebendigen Museen, inklusiven Schulen und kritischen Hochschulen.

Diese politische Wende durchzusetzen erfordert geschichtsbewusst, neugierig, kritisch, solidarisch, souverän, egalitär, kooperativ und anspruchsvoll agierende Menschen. Das ist der Sinn aufgeklärter und aufklärender Geisteswissenschaft: Das Studium der Geschichte kann uns die Bedeutung vergangener sozialer Kämpfe vor Augen führen und so zur begründeten Hoffnung auf aktuelle und zukünftige Verbesserungen beitragen. Die philosophische Reflektion kann die materielle Macht des kritischen Gedankens, der analytischen Wahrheit und des Arguments zur Geltung bringen. Die Wissenschaft der unzähligen Sprachen, Dialekte und Kulturen wird im Ringen um internationale Solidarität zum Bestandteil echter Völkerverständigung. Die bewusste Schaffung, Rezeption und Interpretationen von musikalischen, literarischen Werken und bildender Kunst können die Ambitionen für weitereichende Zwecke befeuern.

In diesem Sinne wirken wir für:

  • Bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung
    Eingreifende und auf ein menschenwürdiges Gemeinwesen gerichtete Wissenschaft bedarf einer bedarfsgerechten Finanzierung der Hochschulen aus öffentlicher Hand. Mit der Kampagne „International solidarisch – Schluss mit Austerität“ legen wir es darauf an, uns vom Joch der Schuldenbremse zu befreien und die positive Potentialität der menschlichen Gestaltung der Gesellschaft zu entfesseln. Daran können alle mittun: Die mittwochabends im wöchentlichen Wechsel stattfindenden Bündnistreffen und das „Freiluftkino gegen Austerität“ sind Anlauf- und Treffpunkte für alle Gleichgesinnten. Wie die Kampagne selbst sind die Veranstaltung von universitätsweiten und fakultätsspezifischen „Dies Academici“ beispielgebend für gemeinsames Lernen und Eingreifen: Gruppen- und Fächerübergreifende Kooperation, kritischer Gesellschaftsbezug und dafür wissenschaftlich fundiertes Lernen und Entwicklung müssen auch bestimmend für die Selbstverwaltung sein.
  • Eine demokratische Studienreform für die Bildung mündiger Persönlichkeiten
    Für ein egalitäres Lehr-Lern-Verhältnis sind das Projektstudium und forschendes Lernen mit verantwortungsbewusstem Bezug auf Mitmenschen und Gesellschaft konsequent zu verallgemeinern. Für die Erweiterung eines emanzipatorischen Studiums bedarf es der Abschaffung des Prüfungsmarathons und der Dauerbenotung. An diese Stelle muss die kooperative Erörterung des Erkenntnisfortschritts und ernsthafte Rückmeldung zwischen Lehrenden und Studierenden treten. Für alle Bachelorstudierende müssen ausreichend Masterplätze zur Verfügung gestellt werden. Die vollständige Beendigung des Verwertungsdogmas im Studium („Regelstudienzeit“, Zwangs- Exmatrikulation etc.) und eine Ausweitung des BAföG-Anspruchs sowie tarifvertraglich gesicherte Studi-Jobs bilden eine Einheit mit der solidarischen Selbstorganisation von immer mehr Studierenden.
  • Eine geschichtsbewusste und auf Erweiterung gerichtete bauliche Entwicklung
    Der „Phil-Turm“ ist architektonisch ein Ausdruck ambitionierter Sozialstaatstätigkeit und antifaschistischer Vorbote der sozialen und kulturellen Öffnung durch ‘68. Er war über Jahrzehnte das kulturelle und politische Zentrum auf dem Campus. Damit er dies neu und noch besser wieder wird, muss seine Sanierung die egalitäre Struktur (Seminarräume, Büros, Bibliotheken auf einer Ebene) erhalten und die Orte des fächerübergreifenden Austauschs, wie Sitzecken und Cafés erweitern. Schon das Gebäude im Überseering soll dieser kritisch-solidarischen Lebendigkeit entsprechen. Konkret streiten wir für deutlich längere Öffnungszeiten der Mensa als Ort der Verständigung, den Abriss der „Vereinzelungsanlage“ im Eingangsbereich zur kulturellen Öffnung und Luft zum Atmen.
  • Aufklärung und Emanzipation
    Die Forschung gegen Kriegs- und für Friedensursachen, die Aufarbeitung der Geschichte der Universität im Faschismus sowie des ehemaligen Kolonialinstituts, die Realisierung der weiteren Öffnung und Demokratisierung der Universität als Konsequenz aus Widerstand und Befreiung von ’45 und als Fortführung des Aufbruchs um ’68, haben aktuelle Relevanz. Wir wirken in diesem Sinne u.a. für eine Beteiligung der Fakultät am „Monat des Gedenkens in Hamburg-Eimsbüttel“. Die Überwindung von Konkurrenzmechanismen (z.B. Leistungsorientierte Mittelvergabe) in der Universität ist zudem beispielgebend für eine solidarische gesellschaftliche Entwicklung.
  • Demokratische Entwicklung
    Die Realisierung kritisch eingreifender Wissenschaft ist Angelegenheit aller und sollte nicht vor der Seminartür Halt machen. Die Fachbereichsräte sind neu erkämpfte demokratische Gremien unterhalb der Fakultätsebene und damit ein erster Schritt zu echter demokratischer Verfassung der Uni. In diesen kann nun wieder gemeinsam gruppenübergreifend zur inhaltlich-fachlichen Entwicklung gearbeitet werden. Mit erweiterter Beteiligung können sie mitwirken am Kampf gegen die künstliche Verknappung der Ressourcen für eine bessere Ausstattung für alle. Unter dieser Voraussetzung können auch die sogenannten „Struktur- und Entwicklungspläne“ zugunsten einer demokratisch bestimmten strategischen Entwicklung aufgehoben werden.

Daran können sich alle beteiligen: eine entschieden positive Veränderung des Alltags, ein neues ’68!

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