Programm für den FSR Geschichte 2024
„Die Rückwirkung der Entwicklung des Gehirns und seiner dienstbaren Sinne, des sich mehr und mehr klärenden Bewußtseins, Abstraktions- und Schlußvermögens auf Arbeit und Sprache gab beiden immer neuen Anstoß zur Weiterbildung, einer Weiterbildung, die nicht etwa einen Abschluß fand, sobald der Mensch endgültig vom Affen geschieden war, sondern die seitdem bei verschiednen Völkern und zu verschiednen Zeiten verschieden nach Grad und Richtung, stellenweise selbst unterbrochen durch örtlichen und zeitlichen Rückgang, im ganzen und großen gewaltig vorangegangen ist; einerseits mächtig vorangetrieben, andrerseits in bestimmtere Richtungen gelenkt durch ein mit dem Auftreten des fertigen Menschen neu hinzutretendes Element – die Gesellschaft.“
Friedrich Engels „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“, 1876.
Die gemeinsame Gestaltung ist Ursprung und Grundbedürfnis des Menschen. Der Mensch gestaltet seit jeher seine Verhältnisse, erlangt neue Erkenntnisse und verfeinert im Zuge dessen sein Bewusstsein – was Ausganspunkt neuer Möglichkeiten der Gestaltung ist. Seit Entstehen des Privateigentums (durch den Ackerbau) geschieht die Gestaltung der Verhältnisse im Konflikt. Zwischen denjenigen, die durch aktiv produktive Gestaltung den Reichtum schaffen und denjenigen, welche durch den Privatbesitz an Produktionsmitteln den anderen die Früchte ihrer Arbeit rauben. Somit wurde die Gestaltung der Verhältnisse keine kollektive Angelegenheit zur Erfüllung der Bedürfnisse aller, sondern dient entweder der Steigerung des Profits oder ist ein Beitrag zur Überwindung der Ausbeutung. Die humane Gestaltung der Verhältnisse kann daher nur auf die Überwindung der Ausbeutung, somit auch Elend und Not, gerichtet sein.
Ein humanistisches Geschichtsbewusstsein bildet die Grundlage für eine aufklärerische und eingreifende Geschichtswissenschaft. Die sogenannte AfD und ihre Geldgeber bemühen sich stets das Geschichtsbewusstsein zu klittern, um die Konkurrenz als natürlich darzustellen. Dafür verharmlosen sie u.a. die Verbrechen des deutschen Kolonialismus, wodurch die heutige Ausbeutung des globalen Südens gerechtfertigt und somit die Ausbeutung als solche aufrecht erhalten werden soll. Dementgegen bedarf es Aufklärung über die imperialistischen Interessen, aus welchen der Kolonialismus entstand und deren heutigen Kontinuitäten. Aus der vertieften Erforschung des deutschen Kolonialismus lässt sich für heute die Notwendigkeit eines kooperativen globalen Handels –in Kombination mit Reparationszahlungen für den geraubten Reichtum – schlussfolgern.
Um solche Erkenntnisse zu vertiefen, Geschichtsbewusstsein zu entwickeln und kritisch einzugreifen, bedarf es umfassender Änderung des Studien-Alltags, dafür wollen wir mit euch als FSR eingreifend Wirken.
In diesem Sinne streiten wir u.a. für:
Ein soziales Studium – Humanisierung Für Alle!
Das Studium als wissenschaftliche Tätigkeit ist gesellschaftlich produktive Arbeit, an der jede:r Anteil nehmen können soll, um der Gesellschaft zu neuem Fortschritt zu verhelfen. Hierfür bedarf es:
• Bafög für alle: Mindestens 1200 im Monat, Eltern- und Herkunfts-unabhängig, unbefristet und ohne Rückzahlungen. Damit der materille Wohlstand keine Voraussetzung für das Menschenrecht auf Bildung und auf freie Wahl des Berufes darstellt.
• Ausfinanzierung des Studierendenwerks: Um bezahlbaren und adäquaten Wohnraum, sowie Essen für alle zu gewährleisten.
• Abschaffung aller Verwaltungsgebühren: denn Reichtum ist genug da, als dass wir für unsere Tätigkeit selbst aufkommen müssten.
Studienreform – Bildung statt Büffelei
Lernen ist freudvolle Aneignung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie das Bilden neuer Erkenntnisse. Hierfür braucht es eine Studienstruktur die dies anregt und herausfordert. Das vorhandene Studium entspricht diesem Maßstab nicht und bedarf der Reformierung im Folgenden Sinne:
• Lateinkenntnisse als Zulassungsvoraussetzung abschaffen: Nicht jeder Interessenschwerpunkt bedarf Latein zum Verständnis der historischen Epoche. Somit braucht es kostenfreie, universitär angebotene Sprachkurse, um sich eine dem Schwerpunkt entsprechende Fremdsprache aneignen zu können.
Abschaffung der Anwesenheitspflicht:
• Sollte das Studium nicht mit der sonstigen Lebensgestaltung vereinbar sein, bedarf es adäquater Lösungen, Restriktionen helfen nie.
• Projektseminare statt unbezahltes Pflichtpraktikum: Aktive Aneignung des Inhalts der Forschung bei gleichzeitiger Aneignung des Handwerkzeugs, ist sowohl freudvoller als auch produktiver als Kaffee kochen.
Aufklärerische Kultur – antifaschistisches Eingreifen verallgemeinern
Unsere Universität ist nach der Novemberrevolution 1918/1919 als Nachfolgerin des Kolonialinstituts gegründet worden, wurde bereits vor 1933 von den Studenten faschisiert, aber war auch einer der Orte, an dem die Weiße Rose gegen den faschistischen Terror kämpfte. Es zeigt sich, dass die Zwecke und die Gestaltung der Uni seit jeher umstritten sind. Sie nach humanen Zwecken zu gestalten bedarf einer kritischen Kultur im Folgenden Sinne:
• Kritische OE: Zur Anregung eines Engagements, welches der aus der Geschichte der Uni gewachsenen Verantwortung gerecht wird. Mit antifaschistischem Campusrundgang, Einführung in die Geschichte der Universität sowie des Fachbereichs.
• Lesung aus verbrannten Büchern: 1933 verbrannten faschistische Studenten all jene Schriften, welche ihrer menschenfeindlichen Ideologie widersprachen. Dem humanistischen Inhalt dieser Schriften zum Gedenken, daraus zur erweiterten Aneignung und gegen das Vergessen öffentlich vorzulesen, ist tatkräftiger Antifaschismus.
• Ausstellung zur Geschichte des Fachbereichs: Die Ausstellung zur Geschichte des „Historischen Seminars“ kann mittlerweile um mindestens eine weitere Tafel ergänzt werden. Der Fachbereich war vermittelt über den Fachschaftsrat die Speerspitze im Kampf gegen die Bologna-Reform und die erfolgreiche Abschaffung der Studiengebühren. Auch die Zeit im Überseering und die Ausirkungen der Pandemie müssen noch historisch aufarbeitet werden.