Präsenzlehre ermöglichen

Veröffentlicht von Thomas Stahlhut am

  1. Der Fakultätsrat fordert das Präsidium der Universität Hamburg auf, denjenigen Lehrenden, welche für das Wintersemester Lehrveranstaltung in Präsenz oder mit Präsenzanteilen geplant haben, die Durchführung der Lehrveranstaltung – wenn weiterhin gewünscht – in der geplanten Form zu ermöglichen, unter Einhaltung des für die Universität entwickelten Hygienekonzepts.
  2. Sollte das Präsidium dafür aus rechtlicher Sicht eine Änderung der geltenden Eindämmungsverordnung für erforderlich halten, regt der Fakultätsrat an, beim Senat um eine entsprechende Änderung zu bitten.

Begründung:

Aktuell gewinnen wir den Eindruck, gesellschaftlich nicht nur in eine Zeit vor 1968, sondern gleich in eine vorbürgerliche Ära zurückkatapultiert worden zu sein. Die vom RKI niedergeschriebenen Worte sind die Bibel, die Auslegung der Bibel liegt beim Papst – Herrn Söder. Die Bibel in Frage zu stellen liegt außerhalb des Vorstellbaren, aber schon wer der Auslegung von Markus II. zu widersprechen wagt, wird aufs Schärfste von der Inquisition verfolgt und landet am Pranger.

Zum guten Erbe der Wissenschaft gehört das Engagement für Aufklärung im Konflikt mit der Kirche. Wir bleiben zunächst konservativ mit rationaler Bibelinterpretation.

  1. In der Universität
    Das RKI hat in seinem Leitfaden für Kontaktpersonennachverfolgung die Voraussetzungen für ein erhöhtes Infektionsrisiko (Kategorie I), bzw. ein geringes Infektionsrisiko (Kategorie II) mit dem SARS-CoV-2 verdichtet zusammengengefasst[1]. Diese Kriterien zu Grunde gelegt kann es in dem statistisch unausweichlichen Fall des Lehrveranstaltungsbesuchs durch infizierte Personen bei Einhaltung des Hygienekonzepts der Universität (MNS beim Bewegen im Gebäude und den Räumen, >1,5m Abstand am festen Sitzplatz in den Räumen und regelmäßiges Lüften zur Unterbindung von hoher Konzentration infektiösen Aerosols) zu keinen Kontakten nach Kategorie I noch nach Kategorie II kommen. Damit ist die Präsenzlehre ebenso medizinisch zu verantworten, wie der Einkauf und allemal ein Gottesdienst.
  1. Auf dem Weg in die Universität
    Laut RKI finden mit Abstand die meisten Infektionen im privaten Haushalt statt, jedoch mit geringer Anzahl der Verbreitung. Die höchste Anzahl von Infektionsfällen je Ausbruch gibt es in Flüchtlings- und Asylbewerberheimen, sowie in Alten- und Pflegeheimen und Seniorentagesstätten[2]. Die veröffentlichten Zahlen sind u.a. Bezugspunkt dafür, dass Mensen und Kantinen (auch des Studierendenwerks) weiter geöffnet bleiben können. In Bus und Bahn liegen die Infektionszahlen und die Fallzahlen je Ausbruch weit unter dem Durchschnitt. Die ermittelten Erkenntnisse über den ÖPNV sind einerseits zu relativieren, da eine Rekonstruktion der Übertragung hier kaum möglich ist, andererseits sind die niedrigen Werte auch nach RKI plausibel, da im ÖPNV ein MNS getragen wird und der häufige Fahrgastwechsel sowie das ständige Öffnen der Türen eine hohe Konzentration infektiösen Aerosols verhindert.
    Auch die An- und Abreise zur Universität ist, zumal bei hohem Anteil von Radfahrer*innen und der guten Erreichbarkeit mit der Bahn und ohne Busse, medizinisch zu verantworten.

  2. Schlussfolgerung
    Auch und gerade in der geisteswissenschaftlichen Fakultät besteht kein Dissens darüber, dass Präsenzveranstaltungen das Kernstück universitärer Lehre sind, welches durch digitale Angebote ergänzt und bereichert, aber nicht vollständig ersetzt werden kann. Da ein Präsenzlehrbetrieb medizinisch zu verantworten ist, sollte er auch ermöglicht werden. Niemand soll müssen, aber dürfen sollte man.

Über das RKI hinaus verweisen wir ketzerisch noch auf diverse Erklärungen, in denen sich auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse über das inzwischen verhältnismäßig gründlich erforschte Virus, die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten und die deshalb verringerte Sterblichkeit sowie die erheblichen ökonomischen, sozialen, kulturellen und psychischen Schäden durch die Eindämmungsmaßnahmen für eine erweiterte geschützte Präsenz im öffentlichen Raum und gegen die Verdrängung in das Private ausgesprochen wird.
Exemplarisch sei hier das „Positionspapier von Wissenschaft und Ärzteschaft zur Strategieanpassung im Umgang mit der Pandemie“[3] vom 28.10.2020 genannt.

Andere Hochschulen haben deshalb Wege für die Aufrechterhaltung von Präsenzlehre unter den gegenwärtigen Bedingungen gefunden, u.a. die Universitäten Leipzig[4] und Göttingen[5] und die HAW Hamburg[6]. Sie finden auch einen anderen Ton der verständigen Kommunikation zwischen den Mitgliedern.

Zu guter Letzt: Die Welt muss aufhören, alle Handlungen aus einer einzigen gesellschaftlichen Herausforderung abzuleiten. Es gibt viele Probleme und viel Positives zu bewirken für soziale Gerechtigkeit, Frieden, Antifaschismus und Demokratisierung. Als Universität der Nachhaltigkeit können wir uns vielfältig daran beteiligen, so produktiv wie möglich.


[1]              https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/6585.3/20_0439_KoNa_Allgemein.pdf?sequence=6&isAllowed=y

[2]              https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile

[3]              https://www.kbv.de/html/48910.php

[4]             https://www.uni-leipzig.de/universitaet/service/informationen-zum-coronavirus/newsdetail/artikel/aktuelle-corona-regelungen-2020-11-04-1/

[5]              https://www.uni-goettingen.de/de/631891.html

[6]             https://www.haw-hamburg.de/coronavirus/

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