„Aussprache über Auswertung und Konsequenzen aus der Exzellenzstrategie-Entscheidung für die Fakultät für Geisteswissenschaften“

Veröffentlicht von geisteradmin am

Antrag an den Fakultätsrat Geisteswissenschaften am 24.10.2018

Antragsteller: Thomas Stahlhut, Johanna Wellmann

Aussprache über Auswertung und Konsequenzen aus der Exzellenzstrategie-Entscheidung für die Fakultät für Geisteswissenschaften“

Antrag:

Der Fakultätsrat nimmt die Entscheidung der Cluster-Förderung im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes zur Kenntnis.

Er problematisiert in diesem Zusammenhang die (fortgesetzte) Unterfinanzierung, Abhängigkeit von temporären Mitteln, prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Mittelbau, Explosion von Berichts-, Antrags- und Evaluations(un)wesen, Zweck-Mittel-Verkehrung etc., die durch die Exzellenzstrategie nicht behoben, sondern verschärft werden.

Auch für eine dauerhafte, strukturelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen wird die Fakultät für Geisteswissenschaften intensiviert an der Realisierung der „Universität der Nachhaltigkeit“ hin auf die Erreichung der „Sustainable Development Goals“ arbeiten.

Der Fakultätsrat ruft alle Mitglieder der Fakultät dazu auf, sich an der Demonstration am 1.11.2018 „Für die Ausfinanzierung von Bildung, Kultur und Wissenschaft – Solidarisch für ein lebenswertes Hamburg!“ zu beteiligen und bittet das Dekanat, über verschiedene Kanäle (E-Mail, Homepage, Aushang) die Mitglieder der Fakultät auf diese Veranstaltung aufmerksam zu machen.

Anhang:

Offizieller Aufruf des Demo-Bündnisses

Begründung:

Es sei auf die Materialsammlung der Petition „Für gute Forschung und Lehre – Argumente gegen die Exzellenzinitiative“ hingewiesen: https://exzellenzkritik.wordpress.com/

Warum wird Spitzenforschung gefördert?

(…) Ohne universitäre Spitzenforschung nimmt die innovative Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ab. Je exzellenter die universitäre Forschung, desto innovierender das unternehmerische Umfeld. Im Rahmen universitärer Forschungsprojekte werden Fachkräfte ausgebildet, die auf dem Arbeitsmarkt dringend benötigt werden. International sichtbare Spitzenforschung (…) ist für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands entscheidend.“

(Bundesministerium für Bildung und Forschung: https://www.bmbf.de/de/die-exzellenzstrategie-3021.html )

Die Situation ist insofern nicht ganz frei von Zynismus, als die Universitäten immens davon profitieren, dass sich eine große Zahl junger Menschen darauf einlässt – in der Hoffnung auf eine akademische Karriere – die produktivsten Jahre ihres Lebens auf schlecht bezahlten und befristeten Post-Doc-Stellen zu verbringen.“

(„Imboden-Bericht“, Endbericht der Internationalen Expertenkommission Exzellenzinitiative); https://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Papers/Imboden-Bericht-2016.pdf )

Das Problem der Exzellenzinitiative ist, dass sie eine bestimmte Entwicklung in der Forschungslandschaft weiter verschärft. Gelder werden nicht deswegen akquiriert, weil man sie unbedingt braucht, um Forschungen durchzuführen, sondern das Einwerben von Geldern wird als Zweck an sich betrachtet. Die Drittmittel-Fokussierung wird dadurch erheblich verstärkt, dass die jährlichen Mittelzuweisungen der Länder zunehmend an den Erfolg bei der Einwerbung von Drittmitteln geknüpft werden. Schon allein um ihre Minimalstandards in Forschung und Lehre zu halten, sind Hochschulen darauf angewiesen, die von den Ländern vorgegebenen Leistungsstandards in Bezug auf Absolventenquoten oder Drittmittel zu halten. Dieser Druck wird von den Hochschulleitungen an die Fachbereiche weitergeworben, indem die Beteiligung an den großen Exzellenzkampagnen verlangt wird. In der Soziologie werden solche Effekte Zweck-Mittel-Verdrehung genannt.“

(Prof. Dr. Stefan Kühl; http://www.uni-bielefeld.de/soz/personen/kuehl/pdf/Kuehl-Stefan-Working-Paper-1_2016-Exzellente-Beantragung-lang-mit-Abstrakt-und-Fussnoten-040416.pdf )

Unter den ausgebeuteten Projektmitarbeiter*innen des akademischen Shareholder-Kapitalismus sind viele ‚Juwelen‘, die ihre Kreativität gar nicht zum Wohle der Wissenschaft entfalten können, weil sie erstens viel zu lange mit vielen anderen Projektmitarbeiter*innen in die wissenschaftliche Massenproduktion ohne eigenen Gestaltungsfreiraum eingezwängt sind und zweitens in vorauseilendem Gehorsam Aufsatz für Aufsatz nach demselben standardisierten Strickmuster produzieren müssen, um im ‚Peer review‘ der High Impact Journals ja nicht anzuecken. Unter dem Kontrollregime neoliberaler Gouvernementalität (Foucault 2006) werden sie frühzeitig und dauerhaft zu einem Habitus der subalternen Konformität erzogen. Dem in ihnen steckenden Potenzial für Kreativität wird von vornherein der Garaus gemacht. In diesem Wettbewerb wird Konformität im höchsten Maße prämiert und so dem Erkenntnisfortschritt systematisch das Wasser abgegraben.“

(Prof. Dr. Richard Münch; Teil 1: http://soziologie.de/blog/2016/05/akademischer-shareholder-kapitalismus_teil-1/ | Teil 2: http://soziologie.de/blog/2016/05/akademischer-shareholder-kapitalismus_teil-2/ )

Kategorien: Anträge