Geschichtsbewusste Sanierung des Philosophenturms

Veröffentlicht von Thomas Stahlhut am

Der Fakultätsrat möge befassen, beraten und beschließen:

Der Fakultätsrat befürwortet die Sanierung des Philosophenturms nach den im folgenden gefassten Maßstäben, fordert die Verantwortlichen auf, entsprechend vorzugehen und ermuntert die Nutzer des Philophenturms, den Sanierungsprozess in diesem Sinne gesamtverantwortlich zu bestimmen.

„Gute Geisteswissenschafter graben in die Tiefe, analysieren, hinterfragen und überprüfen gesellschaftliche Vorgänge. Sie provozieren und irritieren mitunter, bieten aber vor allem Orientierung in beschleunigten Zeiten wie den unseren, die durch neue Medien und eine eigenartige Geschichtsvergessenheit geprägt sind. Mit gutem Grund hat der Historiker Bernd Roeck die Humanities als «Kriegsmaschinen der Aufklärung» bezeichnet, die in den «Tugenden des Zweifelns und der Kritik» schulen. So wirkten sie als Antidot gegen die Gifte, deren sich politische Vereinfacher aller Art bedienten – orchideenhafte Züge hin oder her. Das hat in einer Gegenwart, die bereits als «postfaktisch» charakterisiert wird, grosse demokratiepolitische Bedeutung.“
NZZ, Geist statt Gefühlsduselei, Kommentar von Marc Tribelhorn, 25.3.2017.

Die Entwicklung von historischem Bewusstsein und philosophischer Tiefe sowie das Verständnis von Sprachen und Kulturen auf der ganzen Welt sind gemeinsame Gegenstände der im Philosophenturm Lernenden und Lehrenden. Die so gewonnenen Erkenntnisse in Gegnerschaft zu reaktionären Menschenbildern und Wahrheitswidrigkeiten zu verallgemeinern macht die aktuelle Relevanz und Bedeutung „guter“ Geisteswissenschaften aus.
Der Philosophenturm ist für das produktive Zusammenwirken der hier versammelten Disziplinen gebaut und ist trotz bisheriger Vernachlässigung unter neoliberaler Politik für diesen Zweck sehr gut geeignet. Die bewegte Geschichte und egalitäre Substanz des Gebäudes muss daher den Maßstab für die Bauplanung bilden, welche in diesem Sinne zu korrigieren ist. Damit die Nutzer des Philosophenturms nach der Sanierung tatsächlich verbesserte Bedingungen und nicht eine planlose Modernisierung vorfinden, ist eine enge Zusammenarbeit von Betroffenen, Planern und Architekten unerlässlich.

Folgendes hält der Fakultätsrat für notwendig:
Zur Stärkung eines fächerübergreifenden Zusammenhangs, des informellen Austauschs und als weiteren Ausgangspunkt von politischen Aktivitäten sind Eingangsbereich, Flure und weitere Orte des informellen Austauschs wieder neu zu erschließen: Mit Sitzmöglichkeiten, die zu Reflektion und Konversation einladen; mit einer Galerie, für die öffentlichkeitswirksame Verallgemeinerung von Forschungsergebnissen; mit einem Café, als Entlastung der Mensa und weiterer Einladung zum Austausch und Aufenthalt. Vieles davon war schon verwirklicht, es ist höchste Zeit das Foyer wieder mit Leben zu füllen.
Neue Flächen wie der Neubau im Innenhof sind sinnvoll für die gemeinsame Nutzung als Gremienräume für die akademische Selbstverwaltung der Fakultät zu konzipieren, alternativ würde mit einer universitären Theaterbühne die Arbeit in der Universität bereichert, zur kreativen Beteiligung ermuntert und die Korrespondenz mit der Stadt erweitert werden.
Gesellschaftliche Zusammenhänge zu ergründen, um zu ihrer positiven Veränderung beizutragen, kann nur gemeinsam gelingen und erfordert daher die bauliche Einheit aller Elemente auf einer Ebene (Bibliotheken, Seminare, Büros, Sekretariate, Fachschaftsräte und Cafés). Sie ist Ausdruck und Voraussetzung des alltäglichen, selbstverständlichen Austauschs aller Universitätsmitglieder. Was beim Bau des Philosophenturms ein weitsichtiger Vorgriff auf ’68 und auch ein Bruch mit der Ordinarienuniversität war, ist heute selbstverständliches und bedeutendes Element einer weitgehend egalitären Universitätskultur und unbedingt erhaltenswürdig.
Die Fachbibliotheken sind Bestandteil der Disziplinen als Voraussetzung von tatsächlicher Interdisziplinarität. Allein fachlich qualifizierte und mit den Personen im Fach vertraute Bibliothekare machen den literarischen Schatz der Bibliotheken erschließbar. Die direkte Anbindung der Fachbibliotheken zu ihren Fächern muss daher erhalten bleiben. Die Fachbibliotheken nach der Ideologie der Effizienzsteigerung zusammenzufassen würde den bisher unmittelbaren Gebrauchswert der Bibliotheken für den Seminarbetrieb und für forschendes Lernen mindern.
Die Beschäftigten in den Studienbüros tragen beratend und koordinierend erheblich dazu bei, dass das Studium trotz Bologna orientierend, interessegeleitet und an der Lösung realer gesellschaftlicher Probleme ausgerichtet wird. Sie können die Studierenden am besten unterstützen, wenn ihre Arbeitsplätze auch baulich nicht von ihrem jeweiligen Fach losgelöst sondern als Teil des Faches verwirklicht sind.
Die Vielzahl studentischer Cafés, die wie die Fachschaftsräte mitunter provozieren und irritieren, sind wesentliche Orte der Bildung der praktischen Einheit von vertiefter fachlicher Reflektion und gesellschaftlicher Entwicklungskontroverse. Sie sind materieller Ausdruck der Aneignung der Universität durch die Studierenden und wirken als Ausgangspunkt von politischem und gesellschaftskritischem Engagement positiv kulturbildend. Sie müssen für diese Aufgabe auch baulich Teil ihrer Fächer sein.
Damit die vernünftigen Entwicklungsmaßstäbe der Nutzer des Philosophenturms zur Geltung kommen können, ist die produktive Aneignung des Gebäudes und die Einbeziehung aller Beteiligten in den Planungsprozess zwingend. Die Überführung der Universitätsgebäude in ein Mieter-Vermieter-Verhältnis ist hierfür schon zu diesem Zeitpunkt negativ kulturbildend.
Der Fakultätsrat befürwortet eine im Sinne der Bedeutung und Arbeit der Geisteswissenschaften rationale Sanierung des Philosophenturms. Sicherlich ist das für den langfristigen Erhalt der Bausubstanz Notwendige zu unternehmen, sowie der Brandschutz zu aktualisieren.
Darüber hinausgehende Veränderungen sollen nur verwirklicht werden, soweit sie der tatsächlichen Arbeit zuträglich sind.